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Ein kosmischer Titan

Astronomie|Physik

Ein kosmischer Titan
Proto-Superhaufen
Diese Visualisierung zeigt den Galaxien-Proto-Superhaufen Hyperion (Grafik: ESO/L. Calçada und Olaga Cucciati et al.)

Sie sind die größten Materieansammlungen im Kosmos: Superhaufen enthalten zehntausende von Galaxien und erstrecken sich über gewaltige Entfernungen hinweg. Jetzt haben Astronomen den größten und massereichsten Vorläufer eines solchen Superhaufens im frühen Universum entdeckt. Das gigantische Gebilde umfasst Billiarden Sonnenmassen und ist schon erstaunlich stark strukturiert. Das Überraschende daran: Dieser Proto-Superhaufen existierte schon rund 2,3 Milliarden Jahre nach dem Urknall. Er hatte daher nur wenig Zeit, um sich so weit zu entwickeln.

Die Materie ist im Universum nicht gleichmäßig verteilt, sondern bildet großräumige Strukturen – Galaxiencluster, Filamente und auch sogenannte Supercluster. Letztere sind gewaltige Strukturen, in denen sich zehntausende von Galaxien gemeinsam bewegen. Auch unsere Milchstraße gehört zu einem solchen Superhaufen, dem rund 520 Millionen Lichtjahre großen Laniakea. Wie diese massereichen Materieansammlungen aber einst entstanden, ist bisher kaum bekannt. Denn bisher haben Astronomen nur wenige Vorläufer solcher Superhaufen, sogenannte Proto-Supercluster, aus dem frühen Kosmos entdeckt. „Proto-Supercluster sind entscheidende Orte, um zu erfahren, wie die kosmische Umgebung die Galaxienentwicklung im frühen Universum beeinflusst hat“, erklären Olga Cucciati vom Observatorium für Astrophysik und Weltraumforschung (INAF) in Bologna und ihre Kollegen. „Doch unser Wissen über Strukturen mit hoher Rotverschiebung ist noch sehr begrenzt.“

Uralt und riesengroß

Um mehr über die ersten Superhaufen des Kosmos zu erfahren, haben Cucciati und ihr Team nun systematisch nach deren Vorläuferstrukturen gesucht. Sie nutzen das VIMOS-Instrument am Very Large Telescope (VLZ) der Europäischen Südsternwarte in Chile, um rund 10.000 Objekte im fernen Universum nach Proto-Strukturen abzusuchen. Im Sternbild Sextant wurden die Forscher fündig: Bei einer Rotverschiebung von 2,45 und damit in einer Zeit nur rund 2,3 Milliarden Jahre nach dem Urknall stießen sie zunächst auf zwei auffallend massereiche Gebiete, die sich bei näherer Untersuchung als Teil eines sehr viel größeren Gebildes herausstellten – eines Proto-Superhaufens. Diese Ansammlung von Sternen, Gas und Galaxien ist rund 195 Millionen Lichtjahre lang und breit und 500 Millionen Lichtjahre hoch. Es umfasst knapp fünf Billiarden Sonnenmassen.

Der „Hyperion“ getaufte Proto-Superhaufen ist damit ähnlich groß und massereich wie die größten Strukturen, die im heutigen im Universum beobachtet werden – stammt aber aus der kosmischen Frühzeit. Die Existenz eines so frühen Giganten überraschte selbst die Astronomen: „Dies ist das erste Mal, dass eine so große Struktur bei einer solch hohen Rotverschiebung identifiziert wurde, gut zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall“, sagt Cucciati. „Normalerweise kennt man diese Art von Strukturen nur von niedrigeren Rotverschiebungen, nachdem das Universum viel mehr Zeit hatte, sich zu entwickeln und solch riesigen Objekte zu bilden.“

Überraschend komplex

Überraschend auch: Hyperion hat eine sehr komplexe Struktur, wie die Forscher feststellten. Es besteht aus mindestens sieben Regionen mit hoher Dichte, die durch Filamente von Galaxien verbunden sind. „Es war eine Überraschung, etwas derart Entwickeltes zu sehen, als das Universum noch relativ jung war!“, sagt Cucciati. Angesichts seiner Größe zu einem so frühen Zeitpunkt erwarten die Astronomen, dass sich dieser Proto-Superhaufen zu etwas Ähnlichem entwickeln wird wie die riesigen Strukturen im lokalen Universum, etwa dem Virgo-Superhaufen, der auch unsere eigene Galaxie, die Milchstraße, enthält.

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„Hyperion zu verstehen und mit ähnlichen neuen Strukturen zu vergleichen, kann Einblicke geben, wie sich das Universum in der Vergangenheit entwickelt hat und wie es sich in Zukunft entwickeln wird“, sagt Cucciati. „Die Entdeckung dieses kosmischen Titanen hilft, die Geschichte dieser großen Strukturen zu entschlüsseln.“ Tatsächlich haben die Forscher bereits einige Unterschiede zu nahen Superclustern ausgemacht. „Nahe gelegene Superhaufen neigen zu einer viel konzentrierteren Verteilung der Masse, mit deutlichen strukturellen Merkmalen“, erklärt Co-Autor Brian Lemaux, von der University of California in Davis. „Aber in Hyperion ist die Masse viel gleichmäßiger über eine Reihe von zusammenhängenden Klumpen verteilt, die mit losen Gruppierungen von Galaxien bevölkert.“ Nach Ansicht der Astronomen ist dieser Kontrast höchstwahrscheinlich auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Schwerkraft in der Nähe von Superhaufen Milliarden von Jahren Zeit hatte, Materie zu verdichten – ein Prozess, der in dem viel jüngeren Hyperion viel kürzer wirkte.

Quelle: Olga Cucciati (Osservatorio di Astrofisica e Scienza dello Spazio di Bologna et al., Astronomy & Astrophysics, in press

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