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Kleiner Komet ganz groß

Astronomie|Physik

Kleiner Komet ganz groß
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Schnappschuss von der Landung: Philae nähert sich dem Kometen 67P/Tschuryumov-Gerasimenko (Foto: ESA/Rosetta/Philae/ROLIS/DLR)
Churyumov-Gerasimenko – Kosename: „ Tschuri“ – ist nun der besterforschte Komet überhaupt. Erstmals glückte dort eine weiche Landung, und der Rosetta-Orbiter liefert täglich neue spannende Daten.

Es war der spannendste Moment der Rosetta-Mission: Das dreibeinige Landegerät Philae hatte seine krisenhafte Landung überstanden. Zweimal war es unkontrolliert abgeprallt am Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko – in den Boulevardmedien liebevoll „ Tschuri“ genannt. Philae war an einem finsteren Ort auf der Oberfläche des kurz 67P genannten Kometenkerns zur Ruhe gekommen. Doch auch jetzt war seine Situation heikel, „ohne die eigentlich vorgesehene Verankerung im Boden, in geneigter, vielleicht sogar instabiler Lage“, sagt Tilman Spohn vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR). Mangels Sonnenlicht konnten die Solarzellen die Bordbatterien nicht aufladen, die Zeit lief ab. Die Forscher entschlossen sich deshalb, auch riskantere Experimente zu wagen und Bewegungen von Philae in Kauf zu nehmen. Doch wie stabil stand er überhaupt auf der Oberfläche? Konnte der Lander womöglich umkippen?

Ein Hammer im Weltall

Der Hammer des MUPUS-Instruments („Multi Purpose Sensors for Surface and Subsurface Science“) wartete in der Nacht zum 14. November 2014 noch auf seinen Einsatz. Niemals war bis dato ein von Menschen gebautes Messgerät in einen Kometenkern eingedrungen. Kurz darauf begann MUPUS mit der Arbeit. Spohn, der Chef-Wissenschaftler des Geräts, war zusammen mit vielen Kollegen im Kölner Kontrollzentrum des DLR. Während MUPUS in 510 Millionen Kilometern von der Erde hämmerte, gab der DLR-Forscher am Handy Lageberichte. Die Temperatur an Philaes schattigem Landeplatz war extrem frostig: minus 153 Grad Celsius. Neben den Wärmeeigenschaften zielten die Messungen vor allem auf die Festigkeit des Bodens. 67P erwies sich jedoch als unerwartet widerspenstig.

Überraschungen sind Bestandteil dieser Mission. Schon bei der Ankunft der Rosetta-Sonde im August 2014 trauten die Forscher ihren Augen kaum: 67Ps Kometenkern, dem Rosetta auf einem komplizierten Kurs mehr als zehn Jahre gefolgt war, zeigte sich auf den Fotos der Bordkamera viel zerklüfteter als erwartet (bild der wissenschaft 10/2014, „Landung auf dem Doppel-Kometen“). „ Kometenkerne sind aktiv, bei jeder Sonnenumrundung gasen sie aus. Da hätte ich erwartet, dass so ein Körper im Lauf der Zeit immer glatter wird“, sagt Harald Krüger vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen.

Ähnlich erging es dem Kometen- Veteranen Horst Uwe Keller, der schon 1986 bei der ersten ESA-Mission zum Halley’schen Kometen mit dabei war. „Die Oberfläche des Kometenkerns ist unerwartet vielfältig. Würde man die Fotos anders einfärben, könnte man meinen, vertraute Landschaften auf der Erde zu sehen. Mich erinnert das an die Alpen.“

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Hinzu kam, dass der etwa vier Kilometer große Kometenkern eine sehr unregelmäßige Gestalt offenbarte: Sie ähnelt einer Gummiente in der Badewanne, mit kleinem Kopf und größerem Körper, die über eine Art Hals miteinander verbunden sind. Dieser Hals – eine von tiefen Abgründen und feinkörnigem Material geprägte Region – ist Rosettas Messfühlern zufolge ein Schwerpunkt der Aktivität des Kometen.

Jahreszeiten auf dem Kometen

Momentan fliegt 67P auf die Sonne zu. Mit jedem Tag erwärmt sich deshalb der Schweifstern mehr. Die Folge: Seine Aktivität nimmt zu. Aus geringer Distanz verfolgt der Rosetta-Orbiter die Entwicklung der Gas- und Staubwolke um 67Ps Kern, seine sogenannten Koma. Dabei sind einzigartige Messungen möglich. Der Gasausstoß des Kometen variiert beträchtlich. Das berichtete Mytha Hässig, die zurzeit am Southwest Research Institute im texanischen San Antonio forscht, zusammen mit ihren Kollegen im Januar im Wissenschaftsjournal Science.

Das Forscherteam hat die Koma mit dem Bord-Instrument ROSINA („ Rosetta Orbiter Spectrometer for Ion and Neutral Analysis“) studiert: „Wir beobachten zu bestimmten Zeiten eine besonders hohe Wasserdichte und ein paar Stunden später besonders viel Kohlendioxid“, sagt die Schweizer Forscherin. ROSINA wurde maßgeblich von Wissenschaftlern der Universität Bern entwickelt und besteht aus zwei Massenspektrometern und einem Drucksensor. Das Instrument misst sowohl Ionen als auch neutrale Gasteilchen.

Offenbar ist das Team auf einen jahreszeitlichen Effekt gestoßen. Auf einem Kometen entstehen Jahreszeiten genau wie auf der Erde, nämlich wenn die Drehachse gegen die Bahnebene geneigt ist. 67Ps Neigungswinkel beträgt 52 Grad – auf der Erde bewirkt eine Neigung von 23,4 Grad den saisonalen Wechsel. Die Messungen zeigen, dass die Jahreszeiten auf 67P sogar die chemische Zusammensetzung der Koma beeinflussen: Die „Sommerluft“ wird vornehmlich von Wasserdampf, die „Winterluft“ hingegen von Kohlendioxid beherrscht – eine Überraschung für die Kometenforscher.

Da der Kern nur wenige Kilometer klein ist, liegen Sommer- und Wintergebiete gerade mal einen Kilometer von einander entfernt. Neben den jahreszeitlichen Effekten könnten auch Tag-Nacht-Effekte oder Inhomogenitäten in der Zusammensetzung des Kerns bei den Variationen eine Rolle spielen. Schon die EPOXI-Sonde der NASA hatte vor fünf Jahren beim Kometen Hartley 2 ähnliche Effekte registriert (bild der wissenschaft 5/2011, „ Rendezvous am Valentinstag“).

Keiner der bisher angesteuerten Kometen wurde je von einem Lander besucht – bis Philae auf 67P niederging. Doch der Einsatz seines MUPUS-Hammers stellte sich als mühsamer Kraftakt heraus: Dreieinhalb Stunden arbeitete sich das Werkzeug an 67Ps Oberfläche ab. „Der Elektrohammer hat vier Stufen, wir konnten also mit zunehmender Stärke zuschlagen“, sagt Spohn, der auch das DLR-Institut für Planetenforschung leitet. Doch nur der erste Schlag auf der schwächsten Stufe ließ den „Penetrator“, ein 35 Zentimeter langes Hohlrohr aus Fieberglas, rund zwei Zentimeter tief eindringen. Danach ging es nicht weiter. Der Komet leistete unerwartet starken Widerstand. Spohn meint: „Wahrscheinlich haben wir mit dem ersten Schlag eine lockere Staubschicht durchdrungen, und darunter besteht die Oberfläche aus viel härterem Material.“ Der Messung zufolge beträgt die Zugfestigkeit dieses Oberflächenmaterials mindestens einige Megapascal, was etwa der Steifigkeit von Wassereis entspricht. Der Forscher vermutet, dass es „gesintertes granulares Eis“ ist. Sintern ist ein Begriff aus der Materialkunde. Er bedeutet, dass Körner in einem granularen Werkstoff durch Erhitzen zusammengebacken werden, wobei die Festigkeit zunimmt. Hinzu kommen die extrem niedrigen Temperaturen. Dadurch, so Spohn, dürfte die Oberfläche noch härter sein.

Das seltsam widerstandsfähige Material wird sein Geheimnis noch preisgeben, erwartet Horst Uwe Keller: „Die Abdrücke von Philae, die seine Beine beim Abprall an der ersten Landestelle hinterließ, hat die Kamera des Orbiters abgelichtet. Dadurch ist eine unabhängige Messung der Bodenfestigkeit möglich.“

Doch bereits jetzt ist klar: 67P muss sehr porös sein, denn er hat eine ungewöhnlich geringe Dichte. Dank Rosetta konnte die Dichte von Kometen erstmals verlässlich beziffert werden: im Mittel beträgt sie 0,47 Gramm pro Kubikzentimeter. Zum Vergleich: Die Dichte von Holz variiert zwischen 0,4 und 0,8, das sehr leichte Balsaholz liegt bei etwa 0,2.

Rekordwert bei Deuterium

Die Analyse der ROSINA-Daten liefert wichtige neue Erkenntnisse über die Entstehung des Sonnensystems, ist die Physikerin Kathrin Altwegg überzeugt, die das Experiment leitet. Als sich die Erde und andere Planeten vor rund 4,6 Milliarden Jahren aus einer Gas- und Staubwolke formierten, bildeten sich erst einfache Urkörper. Eine wichtige Rolle spielte dabei das Deuterium. Die heute favorisierten Modelle geben dafür eine simple Regel an: Je ferner ein Objekt der Sonne war, desto mehr „ D“ gab es dort verglichen mit dem regulärem „H“, dem Wasserstoff – eine Folge der bei wachsender Sonnendistanz tieferen Temperatur. Dank der ROSINA-Daten wurde das Verhältnis D/H der Wasser-Moleküle vor Ort gemessen. Es beträgt 0,53 Promille – ein Rekordwert unter den erforschten Kometen. Offenbar sind die Kometen der sogenannten Jupiter-Familie, zu denen auch 67P gehört, eine heterogenere Gruppe als gedacht. Welchen Reim macht sich Altwegg auf den unerwarteten Befund? „Diese Himmelskörper bildeten sich möglicherweise in ausgedehnteren Regionen als bisher angenommen“, vermutet die Bernerin.

Eine vieldiskutierte Frage der Planetologie ist: Kam das Wasser unserer Ozeane mit Kometen-Einschlägen auf die junge Erde? (bild der wissenschaft 12/2010, „Die Meere kamen aus dem All“). Denn anfangs dürfte die Urerde ausgetrocknet gewesen sein. Die enorme Hitze, die mit der Planetenbildung einherging, hatte alles Wasser verdampfen lassen. Das lebensspendende Nass wäre demnach erst später zu uns gelangt – als die Erde hinreichend abgekühlt war. Brachten es Kometen wie 67P? Bezüglich der Jupiter-Kometen- Familie als Urquelle unserer Meere winkt Altwegg ab: Die neuen ROSINA-Messungen widersprechen der Vorstellung, dass sie alle erdähnliches Wasser enthielten. Tatsächlich übertrifft 67Ps D/H-Wert denjenigen des irdischen Meerwassers (0,15 Promille) um mehr als das Dreifache.

Allerdings ist das Bild nicht einhellig: Zwei andere Exemplare der Jupiter-Familie stiften mit ihrem erdähnlichen Wasser Verwirrung – beide D/H-Werte wurden mit Teleskopen von der Erde aus ermittelt. Vielleicht entpuppen sich die beiden Körper als zwitterhaft, und sie waren einst Planetoiden gewesen, die erst später auf kometenartige Orbits gelangten. Planetoiden bestehen aus Gestein und umkreisen die Sonne auf planetenähnlichen, fast kreisförmigen Bahnen. Die vor allem aus Eis und Staub bestehenden Kometen dagegen bewegen sich auf stark ellipsenförmigen Umlaufbahnen, die sie weit hinaus ins Weltall führen. Von bestimmten Planetoiden ist bekannt, dass sie erdähnliches Wasser enthalten – sie geraten als Urquellen-Kandidaten nun verstärkt in den Fokus.

Stickstoff in der Kometenkoma

Und woher bekam die Erde die Gase ihrer Lufthülle? Vermutlich war während der Entstehung des Sonnensystems molekularer Stickstoff (N2) die häufigste Form des Stickstoffs. N2 befindet sich im äußeren Sonnensystem in den Atmosphären von Pluto und von Neptuns Mond Triton, ebenso gefroren auf den Oberflächen beider Körper.

Martin Rubin von der Universität Bern und seinem Team ist es nun gelungen, dieses Molekül erstmals in einer Kometenkoma aufzuspüren. Ihre Studie erschien im März 2015 im Fachjournal Science. „Obwohl man annimmt, dass Kometen wie 67P in derselben Region wie Triton und Pluto entstanden sind, war es bisher nicht möglich, den molekularen Stickstoff in ihnen nachzuweisen“, sagt Rubin, „denn das Eis von Kometen kann nur sehr wenig N2 einfangen und speichern.“ Um solch geringe Mengen zu messen, reichte die Empfindlichkeit der bisherigen Instrumente nicht aus.

Anders bei ROSINA, das auch Moleküle mit fast gleicher Masse unterscheiden kann, beispielsweise N2 und Kohlenmonoxid (CO). Die Auswertung belegt, dass 67P nur geringe Mengen an N2 enthält: Kohlenmonoxid ist 175 Mal so häufig. Was bedeutet das für die Luft der Erde, die immerhin zu 78,1 Volumenprozent aus N2 besteht? „Die Menge an molekularem Stickstoff, den Kometen wie 67P zur Erde gebracht haben könnten, ist sehr gering“, meint Chefwissenschaftlerin Kathrin Altwegg. Die Frage nach der Herkunft der beiden für das irdische Leben essenziellen Substanzen Wasser und Stickstoff bleibt also ungeklärt.

Dass Kometen ein Gemisch aus Wassereis, gefrorenen Gasen, organischen Verbindungen und Staub sind, ist schon länger bekannt. 67P ist da keine Ausnahme. Welche Eigenschaften diese Mixtur hat, soll Rosettas COSIMA-Instrument („Cometary Secondary Ion Mass Analyser“) klären. Seine Hauptaufgabe ist, die Staubpartikel in 67Ps Koma zu analysieren. Um die Analyse-Einheit genau auf die aufgefangenen mikroskopischen Körnchen auszurichten, verfügt COSIMA über eine Art Zieleinrichtung. Diese schießt auch Fotos ihrer Studienobjekte.

Der Meteorologe Oliver Stenzel analysiert zurzeit am MPS den Staub des 67P-Kometen. Die größten Partikel, deren Fotos auf dem Bildschirm seines PC erscheinen, erreichen 0,5 Millimeter Durchmesser. Es sind die ersten Porträts solcher Staubteilchen, die beim langsamen Auftreffen im Staubsammler von COSIMA offenbar weitgehend ihren ursprünglichen Zustand behalten haben. Das war bei früheren Experimenten anders, etwa als die NASA-Sonde Stardust 2004 solche Partikel einfing. Damals prallten die Kometenkörnchen mit hohem Tempo auf. 67Ps Körnchen haben hingegen relativ wenig Schaden genommen und sich beim Aufprall nur um wenige Grad Celsius erwärmt.

Rita Schulz von der Europäischen Weltraumbehörde ESA im niederländischen Noordwijk kommt auf Basis der COSIMA-Analysen zu dem Fazit, dass die Partikel nur von schwachen Kräften zusammengehalten werden. Das liege auch daran, dass Eis oder organische Substanzen darin fehlen, die als „Klebstoff“ fungieren könnten. Die Partikel zerbersten entlang von „Sollbruchstellen“, so Schulz. Aus diesen Eigenschaften und aus dem gemessenen Natrium-Gehalt schließt sie, dass solche kometaren Staubkörner die Quelle des interplanetaren Staubs sind, der verbreitet durchs Sonnensystem schwirrt. „Die aktuell vermessenen Partikel sind deshalb eisfrei, weil sie nach 67Ps letzter Sonnenbegegnung für mehrere Jahre dem Weltraum ausgesetzt waren und dabei austrockneten.“ Ihre Prognose: Dieser alte Staubmantel wird nun abgeworfen. Bald werde sich die eishaltige Urmaterie 67Ps in den Messungen von COSIMA zeigen.

Wo verbirgt sich das Eis?

Blankes Eis, zweifellos eine Hauptkomponente in 67Ps Kern, zeigt sich bislang nirgends auf der Oberfläche, die zu mehr als drei Vierteln von den Bordkameras inspiziert wurde (Stand: April). Ganz im Gegenteil: Mit einer Rückstrahlung von nur 5 Prozent, das entspricht dem Wert von Holzkohle, gehört 67Ps Kern zu den dunkelsten Körpern im Sonnensystem.

Um Wassereis zu erkennen, müssen die Bordkameras sehr genau hinschauen: In einer aktuellen Analyse hebt sich die sogenannte Hapi-Region – der Hals der „Ente“ – deutlich vom Rest des Kometen ab. Während die meisten Gebiete leicht rötlich reflektieren, fällt der rote Schimmer dort etwas geringer aus, die Landschaft wirkt etwas bläulicher. Vor allem wo die glatte Hapi-Oberfläche in die angrenzenden zerklüfteteren Gebiete übergehen, ändern sich die Reflexionseigenschaften. Die Wissenschaftler deuten diese Verfärbung mit gefrorenem Wasser, das dort an die Oberfläche drängt. Wenn 67P im August seinen kleinsten Abstand zur Sonne erreicht – das 1,2-Fache der mittleren Distanz zwischen Erde und Sonne –, wird er sich stark aufheizen. Doch dann ist die Hapi-Region längst in einer Art Polarnacht versunken, die erst ein halbes Jahr später enden wird. Zu dieser Zeit wird 67P aber schon wieder weiter von der Sonne entfernt sein. Womöglich ist dies der Grund für die starke Aktivität, die dieses Gebiet bereits in Sonnenferne zeigt.

Und Philae? Es wäre ein kleines Wunder, wenn er nochmal aus seinem „Winterschlaf“ erwachen würde. Ein erster Kontaktversuch im März war ergebnislos. Rosettas Bordkamera hätte am ehesten die Chance, den Lander auf dem Kometen zu erspähen, doch sie ist mit anderen Aufgaben beschäftigt. Hinzu kommt, dass die Bahn des Orbiters für eine Suche aufwendig umgeplant werden müsste. So wird man sich wohl erst am Ende der Mission an den Philae-Lander erinnern und die Suche wiederaufnehmen. Verdient hat er es. •

Aufgeregt verfolgt das Rosetta-Team die ersten eintreffenden Daten von der Landung der Kapsel Philae auf der Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko am 12. November 2014 (links). Rechts: Die Oberfläche des hantelförmigen Himmelskörpers haben die Wissenschaftler in 19 verschiedene Regionen unterteilt (farbig markiert).

von Thorsten Dambeck

Kompakt

· Der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko („Tschuri“) hat stellenweise eine überraschend harte Oberfläche.

· Der Kometenkern muss sehr porös sein. Denn seine Dichte ist so gering wie die von leichtem Holz.

· Der Gasausstoß unterliegt jahres- zeitlichen Schwankungen: Im Sommer entsteht vor allem Wasserdampf, im Winter Kohlendioxid.

Mehr zum Thema

Lesen

Populäres Buch über die Rosetta-Mission von beteiligten Experten: Diedrich Möhlmann, Stephan Ulamec RAUMSONDE ROSETTA Kosmos, Stuttgart 2014, € 24,99

Internet

Websites von ESA und DLR: blogs.esa.int/rosetta/dlr.de/rosetta

Vortrag der Rosetta-Wissenschaftlerin Claudia Alexander: www.youtube.com/watch?v=kW4t-8v13aQ

Video über Rosetta und Philae: www.youtube.com/watch?v=bEltnyjafLo

DLR-Video zu Philaes Messungen: www.youtube.com/watch?v=-77-Z_DHTlY&list= UU2iaRtEaE3Xbj3wPBot1-ZQ

Philaes Odyssee

Bereits vor der Landung war klar, dass ein wichtiges Bauteil des Landers ausgefallen war: der „Kaltgas-Schubantrieb“. Aufgabe dieses Triebwerks war, beim Bodenkontakt Philae gegen die Oberfläche zu drücken, denn sein Gewicht auf 67P beträgt wegen der schwachen Schwerkraft nur wenige Gramm. Herkömmliche chemische Raketenantriebe verwenden einen brennbaren Treibstoff, der gezündet wird. Wenn er aus der Düse schießt, entsteht Schub. Die Kaltgasdüse sollte ihren Schub dagegen ohne Verbrennung erzeugen, nämlich durch den Rückstoß, der beim Ausströmen von Stickstoff ins Vakuum des Alls entsteht. Dazu befindet sich an Bord des Landers ein Druckgefäß, in dem bei 65 Bar drei Liter des Gases auf die „Zündung“ warten. Doch dazu kam es nicht. Die Folge: Philae traf zwar sehr genau den vorgesehenen Landeplatz, prallte jedoch sofort wieder von der Oberfläche ab. Dazu trug auch bei, dass die beiden Harpunen, die den Lander im Boden verankern sollten, nicht abgefeuert wurden. Auch bei diesen Bauteilen waren schon vorher Zweifel an der Zuverlässigkeit aufgetaucht. Vergleichbare Exemplare waren jahrelang am Göttinger Max-Planck-Institut im Vakuum gelagert worden und hatten bei einem Test ebenfalls versagt. MPS-Ingenieure hatten daraufhin eine andere Schaltabfolge der Harpunenzünder programmiert und zu Philae gefunkt. Doch diese Reparatur konnte den Fehler nicht beheben. Philae traf den Boden offenbar hauptsächlich mit einem Landebein, und nach dem Abprall flog er in eine andere Richtung weiter. Minuten später berührte er kurz ein aufragendes Hindernis, setzte seinen Irrflug fort und kam erst nach einem weiteren Zwischenstopp zum Stehen. Erst rund zwei Stunden nach dem ersten Bodenkontakt hatte er endgültig die Oberfläche erreicht.

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