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Mitochondrien übertragen Signale ans Immunsystem

Gesundheit|Medizin

Mitochondrien übertragen Signale ans Immunsystem
Mitochondrium
Mitochondrien haben mehr Funktionen als gedacht. © Christoph Burgstedt/ iStock

Mitochondrien sind vor allem dafür bekannt, dass sie unsere Zellen mit Energie versorgen. Offenbar erfüllen diese „Kraftwerke der Zelle“ aber auch eine wichtige Funktion bei der Signalübertragung im angeborenen Immunsystem: Eine neue Studie zeigt, dass die Zellorganellen den sogenannten NF-κB-Signalweg regulieren. Er trägt dazu bei, Krankheitserreger zu bekämpfen, Entzündungen zu verursachen und ist auch an verschiedenen Prozessen im zentralen Nervensystem beteiligt.

Mitochondrien sind in unseren Körperzellen für die Zellatmung zuständig und gelten daher als die Kraftwerke der Zellen. Neuere Forschungen legen jedoch nahe, dass ihre Funktion über die Bereitstellung von Energie hinausgeht: So sind sie unter anderem an der Regulation des programmierten Zelltods beteiligt und können überdies die anderen Bestandteile der Zelle mit Hilfe verschiedener Signalwege über ihren eigenen Zustand informieren. Zudem mehren sich die Hinweise, dass sie auch Prozesse des Immunsystems beeinflussen.

Effiziente Regulierung

„Die Mechanismen, wie Mitochondrien die Signaltransduktion beeinflussen, waren bislang jedoch nur unzureichend bekannt“, berichtet ein Team um Zhixiao Wu von der Ruhr-Universität Bochum. Um genauer herauszufinden, welche Rolle die Mitochondrien für unser Immunsystem spielen, analysierten die Forscher an Zelllinien von Menschen und Mäusen, wie die Mitochondrien und damit assoziierte Proteine auf wichtige Signalwege einwirken. Dabei stellten sie fest, dass die Kraftwerke der Zelle daran beteiligt sind, den sogenannten NF-κB-Signalweg zu regulieren. NF-κB ist ein Transkriptionsfaktor, der in unserem Körper die Expression zahlreicher verschiedener Gene reguliert. Im zentralen Nervensystem ist er unter anderem an der synaptischen Plastizität beteiligt. Zudem ist dieser Signalweg ein wichtiger Bestandteil unseres angeborenen Immunsystems.

„Je nach auslösendem Stimulus und Zelltyp werden durch NF-κB die Zellen vor dem Zelltod geschützt und vermehrt solche Proteine hergestellt, die zur Eliminierung von Bakterien und Viren beitragen“, erklärt Wus Kollegin Konstanze Winklhofer. Bei länger andauernder Aktivierung kann dieser eigentlich schützende Signalweg allerdings auch chronische Entzündungen hervorrufen. „Daher ist eine effiziente Regulierung dieser Signalprozesse von großer medizinischer Relevanz, um pathologische Prozesse infolge einer ineffizienten oder überschießenden NF-κB-Aktivierung zu vermeiden“, so Winklhofer.

Mobil mit großer Oberfläche

Aktiviert wird der NF-κB-Signalweg unter anderem durch den Signalstoff TNF. Wu und ihr Team gaben diesen Signalstoff zu den Zellkulturen hinzu und isolierten wenige Minuten später die Mitochondrien. Dabei stellten sie fest, dass sich an der Membran der Mitochondrien in Folge der Behandlung ein Signalkomplex gebildet hatte, der für die Aktivierung von NF-κB wichtig ist. Stabilisiert wurde dieser unter anderem durch das mitochondriale Protein PINK1. „Aufgrund der großen Oberfläche von Mitochondrien wird dadurch das Signal verstärkt“, erklärt Winklhofer. „Darüber hinaus haben Mitochondrien eine weitere Eigenschaft, die sie als Organellen für Signalweiterleitung prädestiniert: Sie sind mobil und können an Motorproteine in der Zelle andocken.“

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Tatsächlich stellte das Forschungsteam in weiteren Versuchen fest, dass sich in Zellen mit aktiviertem NF-κB-Signalweg die Kontaktfläche zwischen Mitochondrien und Zellkern erhöhte. Die Mitochondrien transportieren also offenbar den aktivierten Transkriptionsfaktor NF-κB in räumliche Nähe zum Zellkern und erleichtern auf diese Weise, dass er zu seinem Wirkort an der DNA gelangt. Neben dieser signalverstärkenden Wirkung haben die Mitochondrien der Studie zufolge aber auch eine herunterregulierende Funktion: So identifizierten Wu und ihr Team an der Oberfläche der Mitochondrien auch ein Enzym, das die Veränderungen bestimmter Proteine, die für die Aktivierung notwendig sind, wieder rückgängig macht und so überschießende Reaktionen verhindert.

Schnittstelle zwischen Nervensystem und Immunsystem

Die Beteiligung des mitochondrialen Proteins PINK1 ist auch mit Hinblick auf neurologische Erkrankungen wie Parkinson relevant, wie das Team erklärt. Durch seine stabilisierende Funktion verhindert es normalerweise, dass der kontrollierte Zelltod eingeleitet wird. Bei Parkinson allerdings ist das entsprechende Gen mutiert, sodass PINK1 nicht funktionsfähig ist. „Unsere Daten erklären, warum ein Funktionsverlust von PINK1 zu vermehrtem Zelltod von Nervenzellen unter Stressbedingungen führt“, so Winklhofer. „Bemerkenswert ist der Befund, dass Parkinson-Patienten mit Mutationen im PINK1-Gen anfälliger sind gegenüber verschiedenen Infektionen, die durch intrazelluläre Erreger ausgelöst werden. Somit tragen unsere Einblicke auch dazu bei, Schnittstellen zwischen dem Nervensystem und dem Immunsystem besser zu verstehen.“

Quelle: Zhixiao Wu (Ruhr-Universität Bochum) et al., EMBO Journal, in press, doi: 10.1101/2022.05.27.493704

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