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Testosteron: Geschlechtsspezifische Risiken

Gesundheit|Medizin

Testosteron: Geschlechtsspezifische Risiken
Der Hormonspiegel des Menschen hat vielschichtige Effekte. (Evgeny Gromov/iStock)

Es gilt als das Männerhormon, doch auch Frauen bilden Testosteron – ein gesunder Spiegel ist deshalb für beide Geschlechter wichtig. In diesem Zusammenhang verdeutlicht nun eine Studie, dass die Testosteron-Produktion bei Männern und Frauen auf verschiedenen Erbanlagen beruht und dass das Hormon Risiken für die Entstehung von Stoffwechsel- und Krebserkrankungen bei den Geschlechtern unterschiedlich beeinflusst. Die Ergebnisse haben somit Bedeutung für die künstlichen Veränderungen des Hormonhaushalts, sagen die Wissenschaftler.

Sie werden als Geschlechtshormone bezeichnet: Vereinfacht ausgedrückt macht Testosteron männlich und Östrogen weiblich. Es ist allerdings bekannt, dass beide Hormone auch im Körper des jeweils anderen Geschlechts gebildet werden und Funktionen besitzen. Bei Männern wird das Testosteron in vergleichsweise hohen Mengen in den Hoden gebildet. Bei Frauen entsteht es hingegen vor allem in den Eierstöcken. Die Effekte, die Testosteron im Körper auslöst, sind vielschichtig und noch immer nicht restlos verstanden. Beim Mann sorgt Testosteron unter anderem für den Muskelaufbau und den Geschlechtstrieb. Um Müdigkeit und Lustlosigkeit zu bekämpfen, wird deshalb gerade bei älteren Männern der schwindende Testosteronspiegel oft künstlich erhöht. Doch auch bei Frauen ist eine Testosteron-Substitution möglich. Ein günstiger Spiegel fördert auch beim weiblichen Geschlecht die Libido, geht aus Studien hervor.

Doch künstliche Hormongaben gelten als heikel – denn Testosteron hat zwei Seiten: Es fördert zwar einige wünschenswerte Aspekte, es kann aber auch die Risiken für bestimmte Erkrankungen erhöhen, wie aus bisherigen Untersuchung bereits hervorgeht. Deshalb werden etwa bei manchen Krebserkrankungen die natürlichen Hormonspiegel künstlich abgesenkt. Doch zu diesem Thema gibt es noch immer viele offene Fragen. So ist etwa unklar, inwieweit natürliche Unterschiede im Testosteron-Niveau beim Menschen mit Neigungen zu bestimmten Erkrankungen verknüpft sind und auch, auf welchen Erbanlagen die Unterschiede im Hormonspiegel bei Mann und Frau basieren.

Den Grundlagen des Hormonspiegels auf der Spur

Um neue Einblicke zu erhalten, haben die Forscher um John Perry von der University of Cambridge nun eine sogenannte genomweite Assoziationsstudie durchgeführt. Dabei handelt es sich um ein Verfahren zur Identifizierung von Verknüpfungen bestimmter genetischer Besonderheiten und körperlichen Merkmalen. Im aktuellen Fall bedeutet das: Die Forscher suchten nach erblichen Faktoren, die mit einem vergleichsweise hohen Testosteronniveau bei Männern und auch bei Frauen verknüpft sind. Als Datenbasis diente ihnen eine britische Biobank. Sie umfasst die genetischen Informationen von 425.097 Teilnehmern. Neben gesundheitlichen Daten ist auch das Testosteronniveau dieser Menschen bekannt.

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Die Ergebnisse verdeutlichten, dass der Spiegel des Hormons nicht etwa nur von wenigen erblichen Faktoren beeinflusst wird, sondern einen komplexen genetischen Hintergrund besitzt: Die Forscher identifizierten 2571 genetische Variationen, die mit Unterschieden in den Spiegeln des Sexualhormons Testosteron und seines Bindungsproteins zusammenhängen. Dabei gab es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Das bedeutet: Die Regulation des Hormons hat bei Frau und Mann eine unterschiedliche genetische Basis.

Um Licht auf die Verknüpfung von Testosteronspiegel und Krankheitsrisiken zu werfen, führten die Forscher anschließend eine sogenannte Mendelsche Randomisierung mit ihren Daten durch. Dabei handelt es sich um eine statistische Methode zur Bestimmung des Einflusses von Risikofaktoren auf Krankheiten unter Verwendung der Variation von Genen bekannter Funktion.

Gut oder schlecht – je nach Geschlecht

Wie die Wissenschaftler berichten, zeichnete sich ab, dass bei Frauen ein genetisch erhöhter Testosteronspiegel mit einem um 37 Prozent verstärkten Risiko für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes verknüpft ist. Dabei wird deutlich, wie unterschiedlich das Hormon zwischen den Geschlechtern wirken kann: Bei Männern senkt ein genetisch bedingt hoher Testosteronspiegel das Diabetes-Risiko um 14 Prozent. Ähnlich ungünstig wirkt sich das Hormon offenbar auch auf das Risiko für Brust- und Gebärmutterkrebs bei Frauen aus.

Wie die Forscher betonen, war ein besonders interessantes Resultat, dass bei Frauen mit einem genetisch bedingt hohem Testosteronniveau offenbar das Risiko für das sogenannte polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) um 50 Prozent erhöht ist. Dabei handelt es sich um eine der wichtigsten Ursachen für unerfüllten Kinderwunsch. „Unsere Erkenntnisse, dass genetisch höhere Testosteronspiegel das Risiko für PCOS bei Frauen erhöhen, sind wichtig, um die Rolle von Testosteron bei der Entstehung dieser häufigen Erkrankung zu verstehen“, sagt Perry. Ähnlich ungünstig wirkt sich das Hormon offenbar auch auf das Risiko für Brust- und Gebärmutterkrebs bei Frauen aus.

Eine weitere Botschaft der Studie betrifft ihm zufolge die Männer: Ein höherer Testosteronwert geht bei ihnen mit einem etwas erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Prostatakrebs, wie die statistischen Auswertungen belegen „Zur Behandlung von Prostatakrebs werden oft testosteronreduzierende Therapien eingesetzt. Bisher war jedoch ungewiss, ob ein natürlicherweise niedrigerer Testosteronspiegel auch vor der Entstehung von Prostatakrebs schützt. Unsere Ergebnisse haben in diesem Zusammenhang nun zum Verständnis von Risiken und Vorteilen von Hormontherapien beigetragen“, sagt Perry.

Seine Kollegin Katherine Ruth von der University of Exeter fügt hinzu: „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer getrennten Betrachtung von Männern und Frauen“, so die Wissenschaftlerin. Was die Behandlungen mit Testosteron betrifft, sagt sie: „Es ist Vorsicht geboten. Weitere Studien, die den Effekt von Testosteron auf andere Problematiken, wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen zeigen, sollten nun folgen“, meint Ruth.

Quelle: University of Cambridge, Fachartikel: Nature Medicine: 10.1038/s41591-020-0751-5

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