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Warum Morphium versagt

Gesundheit|Medizin

Warum Morphium versagt

Wenn Schmerzen unerträglich werden, bleibt den Ärzten als letzter Pfeil im Köcher oft nur noch Morphium. Normalerweise wirkt dieses aus dem Milchsaft (Opium) des Schlafmohns gewonnene Opioid sehr zuverlässig. Doch bei vielen Patienten bricht nach längerer Anwendungsdauer der Schmerz wieder durch, und die Dosis muss ständig gesteigert werden. Was hinter dieser Morphium-Toleranz steckt und wie sie sich umgehen lässt, haben Thomas Koch und sein Team von der Abteilung für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Magdeburg jetzt erforscht.

Morphium bindet an sogenannte Opioid-Rezeptoren – Eiweiße, die auf der Außenseite von Nerven- und Gehirnzellen sitzen und biochemische Signale ins Zellinnere leiten können. Wenn Morphium an einen solchen Rezeptor andockt, schickt er den Befehl „Schmerz dämpfen!“ an die Nervenzelle. Die führt die Anordnung aus, aber „ vergisst“ sie nach einer Weile wieder, wenn kein erneuter Befehl zur Schmerzdämpfung erfolgt. Auf diese Weise verhindert der Körper, dass das lebenswichtige Schmerzempfindungssystem komplett abgeschaltet wird. Bei der Morphiumbehandlung tritt jedoch langfristig ein Problem auf: Der Rezeptor wird unbrauchbar, nachdem das Opioid angedockt hat – und nach einigen Wochen oder Monaten Schmerzbehandlung sind alle Rezeptoren auf den Nervenzellen nicht mehr einsatzfähig. Auch große Morphiumgaben wirken dann kaum noch. Einen solchen Gewöhnungseffekt gibt es dagegen nicht, wenn Opioide des körpereigenen Schmerzhemmungssystems – die „Endorphine“ – an die Rezeptoren binden.

Warum das so ist, haben die Magdeburger geklärt: Ob ein Rezeptor Signale weiterleitet oder nicht, hängt von „ Phosphat-Gruppen“ ab. Sie heften sich an den Rezeptor, sobald er Kontakt mit einem Opioid hatte und schalten ihn dadurch ab. Um ihn wieder zu aktivieren, müssen die Phosphat-Anhängsel entfernt werden. Das gelingt jedoch nur im Inneren der Zelle mithilfe von speziellen Enzymen. Dazu werden die Rezeptoren in kleine Bläschen verpackt und ins Zellinnere transportiert. Bei den körpereigenen Endorphinen funktioniert das problemlos. Koch: „Wenn Endorphine an den Rezeptor binden, nimmt ihn die Zelle auf, befreit ihn von den Phosphaten und transportiert ihn in reaktiviertem Zustand wieder an die Zelloberfläche.“ Doch Morphium blockiert diesen Prozess der Endozytose. „Auf der Oberfläche der Zellen findet man nach Morphiumgaben Anhäufungen von inaktiven Rezeptoren“, erklärt Koch.

Jetzt wies seine Arbeitsgruppe an Zellkulturen nach, dass Opioide wie Fentanyl, Sufentanil oder Methadon im Gegensatz zu Morphium die Endozytose zulassen – und damit die Reaktivierung des Opioid-Rezeptors. Das macht diese Schmerzhemmer im Prinzip zu idealen Mitteln für die Langzeittherapie. Patienten, die nicht mehr auf Morphium reagieren, könnten auf solche Wirkstoffe umsteigen. Koch rät trotzdem, Vor- und Nachteile genau abzuwägen: „Unsere Ergebnisse zeigen zwar, dass diese Substanzen länger wirksam sind als Morphium. Das kann jedoch dazu führen, dass der Körper nach einiger Zeit von ihnen abhängig wird.“

Das ideale Opioid muss also noch gefunden werden. Die Experten in Magdeburg sind bereits auf der Suche: In ihren Zellkulturen testen sie chemisch veränderte Morphium-Abkömmlinge, die die Rezeptor-Endozytose unterstützen und daher lange wirksam bleiben, aber kaum Entzugserscheinungen hervorrufen sollen. Ulrich Fricke

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COMMUNITY Internet

Links zu medinfo-Themen:

wwww.wissenschaft.de

Morphium, Heroin und anderen Opioide:

www.thema-drogen.net

Informationen zur Schmerztherapie

www.schmerzakademie.de

Die AG von Thomas Koch

www.med.uni-magdeburg.de/fme/institute/ipt

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