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Frühe Stadtbewohner aßen klug gedüngte Erbsen

Jungsteinzeit in Europa

Frühe Stadtbewohner aßen klug gedüngte Erbsen
Die sogenannten Trypillia-Megasiedlungen in der heutigen Ukraine und Moldawien gelten als die ältesten stadtartigen Siedlungen Europas. Künstlerische Darstellung © Susanne Beyer/ Uni Kiel

Bis zu 15.000 Menschen mussten ernährt werden: Vor etwa 6000 Jahren sicherte in den ersten stadtartigen Siedlungen Europas ein ausgeklügeltes Nahrungs- und Viehhaltungs-Management die Versorgung der Bevölkerung, berichten Forscher. Dies geht aus Isotopenanalysen von Knochen und Nahrungsmittelüberresten aus Fundorten in der Ukraine und Moldawien hervor. Die stark vegetarisch geprägte Ernährung der urzeitlichen Stadtbewohner basierte demnach hauptsächlich auf eiweißreichen Erbsen. Diese Hülsenfrüchte wurden offenbar intensiv mit Mist gedüngt, den eingezäuntes Weidevieh lieferte. Die Existenz der frühen Großsiedlungen basierte demnach auf einer gesunden Ernährung und einem nachhaltigen Landbau, sagen die Forscher.

Sie gehörten zu den ersten Gesellschaften, die nach dem Einzug der Landwirtschaft in Europa entstanden: Vor etwa 6800 Jahren bildeten sich in der Waldsteppe nördlich des Schwarzen Meeres die sogenannten Trypillia-Siedlungen. Aus den zuvor kleineren Einheiten entwickelten sich ab etwa 4150 v. Chr. erstaunlich große, planmäßig gestaltete Protostädte. Ihre Überreste sind heute auf dem Gebiet der Ukraine und Moldawiens zu finden. Schätzungen zufolge erreichten manche dieser Megasiedlungen bis zu 15.000 Einwohner. Sie gelten damit als die ältesten stadtartigen Siedlungen Europas und gingen sogar der Urbanisierung in Mesopotamien voraus. Die Blütezeit dieser Trypillia-Siedlungen hielt etwa 500 Jahre an. Danach wurden die Zentren allerdings verlassen und die Menschen lebten wieder in kleineren Dörfern. Dabei gibt es Hinweise darauf, dass gesellschaftliche Spannungen zu dem Zusammenbruch geführt haben. Doch spielten vielleicht auch Versorgungsschwierigkeiten eine Rolle?

Was bildete die Existenzgrundlage der Megasiedlungen?

Die aktuelle Studie der Forscher um Frank Schlütz von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich nun erstmals genauer mit der Frage befasst, worauf die Ernährung der Bewohner dieser jungsteinzeitlichen Megasiedlungen basierte. Sie untersuchten dazu Proben von Tier- und Menschenknochen sowie von Überresten von Nahrungspflanzen, die in verschiedenen Trypillia-Siedlungen im Lauf der letzten Zehn Jahre gefunden wurden. Sie unterzogen das Material dabei einer Isotopenanalyse. Wie sie erklären, sind anhand von Mustern der Zusammensetzungen der Kohlenstoff- und Stickstoffisotope in den Materialien Rückschlüsse auf die Ernährungsweise von Menschen und Tieren sowie auf bestimmte Anbauformen der Nutzpflanzen möglich.

Wie die Forscher berichten, ging aus den Isotopenanalysen der menschlichen Knochen hervor: Die Ernährung der Bevölkerung war überwiegend vegetarisch geprägt. Konkret bestand die Kost offenbar hauptsächlich aus Erbsen gefolgt von Getreide. Der große Vorteil der Hülsenfrüchte im Rahmen der vegetarisch geprägten Ernährungsweise war dabei ihr hoher Gehalt an Proteinen mit essenziellen Aminosäuren, erklären die Wissenschaftler. Letztlich ernährten sich die Bewohner der Trypillia-Siedlungen dadurch von einer ausgewogenen Mischkost, bei der auf Fleisch als Eiweißquelle weitgehend verzichtet werden konnte. Dennoch kam es wohl auch gelegentlich auf den Tisch, wie aus den Relikten der Tierhaltung hervorgeht. Möglicherweise diente diese aber hauptsächlich einem anderen Zweck: der Gewinnung von Dung für den Anbau der Nahrungspflanzen.

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Ausgeklügeltes Nahrungs- und Viehhaltungs-Management

Denn aus den Ergebnissen der Isotopenanalysen ging hervor, dass die Erbsen offenbar intensiv gedüngt worden waren, um hohe Erträge zu erzielen. „Wir kamen zu der Schlussfolgerung, dass ein großer Teil der Rinder und Schafe offenbar auf eingezäunten Weiden gehalten wurden. Und der dort anfallende Dung der Tiere wurde von den Menschen benutzt, um insbesondere die Erbsen intensiv zu düngen“, sagt Schlütz. Zur Fütterung der Tierbestände kam dann wiederum das anfallende Erbsenstroh zum Einsatz. Durch diese enge Kopplung von Pflanzenbau und Viehhaltung war es den Menschen der Megasiedlungen offenbar möglich, sich ausreichend und gesund zu ernähren, erklären die Forscher. „Die Versorgung der Bevölkerung der Megasiedlungen beruhte auf einem äußerst ausgeklügelten Nahrungs- und Weide-Management“, resümiert Schlütz.

Die Ergebnisse geben somit keinen Hinweis darauf, dass eine mangelnde Nahrungsversorgung beim Kollaps der Megasiedlungen nach ihrer etwa 500 Jahre währenden Existenz eine Rolle spielte. Die Studie bestätigt hingegen frühere Hinweise darauf, dass der Niedergang um etwa 3000 v. Chr. auf gesellschaftliche Probleme zurückzuführen war. Dazu sagt Co-Autor Robert Hofmann von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel: „Vorläufige Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass es infolge zunehmender sozialer Ungleichheit zu gesellschaftlichen Spannungen kam. Am Ende kehrten die Menschen den Großsiedlungen dann den Rücken zu und entschieden sich wieder für ein Leben in kleineren Siedlungen“, sagt der Archäologe.

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.2312962120

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