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Versalzte Schmetterlinge

Erde|Umwelt

Versalzte Schmetterlinge
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Monarchfalter trinkt Nektar an einer Blüte (thinkstock)
In Winter wird auf den meisten größeren Straßen Salz gestreut, um die Glatteis zu verhindern. Dass das Streusalz für viele Pflanzen am Straßenrand alles andere als gesund ist, ist schon länger bekannt. Jetzt haben US-Forscher eine weitere Nebenwirkung unserer Streupraxis aufgedeckt: Sie verändert den Körper von Schmetterlingen, die auf Straßenpflanzen aufwachsen – und dies geschlechtsspezifisch: Der Salzüberschuss lässt bei Männchen die Flugmuskeln wachsen, bei den Weibchen das Gehirn und die Augen. Das belegt, dass der Mensch nicht nur im Großen Ökosysteme und Organismen beeinflusst, sondern auch im Kleinen – indem er die Verfügbarkeit bestimmter Spurenelemente in der Umwelt verändert.

Salz hat eine Doppelnatur: Einerseits kann es Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördern, wenn man dauerhaft zu viel davon zu sich nimmt. Bei Pflanzen kann ein Salzüberschuss das Wachstum stören und im Extremfall zum Eingehen führen. Andererseits aber ist  Salz für viele Organismen unverzichtbar: Ohne das Natrium, einem der Bestandteile des Kochsalzes, können die Nerven keine Signale übertragen und auch Muskeln arbeiten nicht richtig. Weil Salz in den meisten Lebensräumen knapp ist, suchen viele Tiere aktiv nach Salzquellen, Schmetterlinge beispielsweise landen an Pfützen, um aktiv Salze aufzunehmen. Das vom Menschen im Winter ausgebrachte Streusalz verändert diese Situation: Entlang vieler Straßen gibt es nun ein Überangebot an Salz, sowohl im Boden als auch in den Pflanzen, die dieses über das Wasser aufnehmen und in ihren Geweben anreichern. Wenn sich Schmetterlingsraupen von den Blättern dieser Pflanzen ernähren, nehmen sie diesen Salzüberschuss auf. Emilie Snell-Rood von der University of Minnesota und ihre Kollegen haben nun untersucht, wie sich dieses menschengemachte Überangebot von Salz auf Schmetterlinge auswirkt.

Für ihre Studie sammelten die Forscher zunächst vier verschiedene Pflanzenarten, die den Raupen des Monarchfalters und anderer Schmetterlingsarten Nordamerikas als Nahrung dienen. Ein Teil  stammte dabei vom Straßenrand einer Landstraße und einer von einem mindestens 100 Meter von jeder Straße entfernten Standort. Die Wissenschaftler analysierten nun Blätter aller Pflanzen auf ihren Natriumgehalt hin. Wie sich zeigte, war der Natriumgehalt bei zwei Arten – einer Eichenart und der Gewöhnlichen Seidenpflanze (Asclepias syriaca) – am Straßenrand bis zum 30-Fachen erhöht. “Das ist aber wahrscheinlich noch ein eher konservatives Ergebnis, an Autobahnen und an Straßenrändern mit weniger sandigem Boden sind die Unterschiede sicher noch höher”, betonen die Forscher.

Männchen bekommen Muskeln, Weibchen Nerven

Dann folgte der eigentliche Test mit den Schmetterlingen: Die Wissenschaftler zogen Monarchfalter-Raupen entweder auf Seidenpflanzen vom Straßenrand oder vom freien Feld auf. Schon während der Raupenzeit zeigten sich erste Unterschiede, wie die Forscher berichten: Auf den Pflanzen vom Straßenrand überlebten weniger Raupen bis zur Puppe als auf den nicht versalzenen. Je höher der Salzgehalt war, desto mehr Raupen starben. Noch interessanter aber waren die Differenzen, die nach dem Schlüpfen aus der Puppe bei den Schmetterlingen sichtbar wurden: Die auf den Straßenpflanzen aufgewachsenen Männchen hatten signifikant stärker ausgebildete Flugmuskeln, die Weibchen jedoch nicht. Umgekehrt bildeten die weiblichen Monarchfalter auf den salzigen Pflanzen deutlich größere Augen und Gehirne aus als normal, bei den Männchen zeigte sich dieser Effekt nicht. Der gleiche geschlechtsspezifische Effekt zeigte sich auch bei Kohlweißlingen, die auf einer künstlich mit Salz angereicherten Diät aufgezogen wurden.

“Das belegt, dass erhöhte Natriumwerte durch Streusalz das Potenzial haben, auch Schmetterlinge – und möglicherweise andere Pflanzenfresser – zu beeinflussen”, konstatieren Snell-Rood und ihre Kollegen. Bis zu einer bestimmten Konzentration scheint sich dabei der Natriumüberschuss eher positiv auszuwirken: Der Mikronährstoff fördert das Muskelwachstum bei Männchen und die Entwicklung des Nervensystems bei den Weibchen. Woher dieser Geschlechtsunterschied kommt, sei aber noch unklar, erklären die Forscher. Möglicherweise sind die Gewebe bei Männchen und Weibchen unterschiedlich sensibel für den Natriumgehalt und reagieren daher jeweils verschieden.

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Die Versuche zeigen aber auch, dass eine zu starke Versalzung negative Folgen hat: Die Überlebenschance der Schmetterlingsraupen sinkt. “Unsere Arbeit deckt auf, dass die menschengemachten Veränderungen der Mikronährstoffe in der Umwelt genauso wichtig und folgenreich sind wie die von Makronährstoffen wie Stickstoff oder Phosphor”, betonen die Wissenschaftler. Sie halten es für sehr wahrscheinlich, dass neben Natrium auch andere von uns in die Umwelt eingebrachte Elemente Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt haben können. Diesen Effekten weiter nachzugehen, sei daher immens wichtig.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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